Unsere Gesellschaft wird älter und kränker. 2012 waren 12,4 Millionen Bürger über 70 Jahre alt, 2030 sollen es fast 20 Millionen sein. Im Alter verringern sich Kraft, Wahrnehmung und Koordination. Dadurch stürzen ältere Menschen sehr viel häufiger und erleiden in der Folge Knochenbrüche, die umfassende Therapie und Diagnostik erfordern. Problematisch bei älteren Patienten: Sie haben oft mehrere gravierende Erkrankungen. Univ.-Prof. Hans-Christian Pape, Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Aachen, erläutert die Problematik: "Bei unseren älteren Patienten sind die Verletzungen oft schwer und die Eingriffe groß, gleichzeitig haben diese Menschen häufig noch andere gravierende Erkrankungen."
Mit dem Telemedizin-Projekt "TIRA" am Aachener Uniklinikum soll nun eine wesentliche Verbesserung in der Behandlung und Rehabilitation dieser Patientengruppen erreicht werden. Kern ist dabei die bessere Verknüpfung von Akut- und Rehabilitationsbehandlung, gerade im Hinblick auf eine individualisierte Planung der Reha. Um dies zu erreichen, kooperiert das Uniklinikum mit zwei Projektpartnern, der Reha-Klinik Schwertbad und dem Haus Cadenbach im Aachener Luisenhospital. Besondere Berücksichtigung erfahren dabei die individuellen Ansprüche und Fähigkeiten des Einzelnen schon vor der Verlegung und eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit von Rehabilitations- und Akutmedizinern im Verlauf der Behandlung der oft multifaktoriell behandlungsbedürftigen Patienten.
"Besonders großen Wert legen wir auf die enge zeitliche und inhaltliche Vernetzung der Behandler, dies wird durch unser telemedizinische Projekt 'TIRA' ermöglicht", sagt Prof. Pape. Oftmals seien Akut- und Reha-Kliniken weit voneinander entfernt, der Dialog zwischen Akut- und Reha-Ärzten deshalb deutlich ausbaufähig. "Gerade bei älteren Patienten kommt es viel häufiger zu Rückverlegungen und Wiedervorstellungen in Akutkliniken, die häufig durch telemedizinische Kooperation vermieden werden können", erläutert Pape.
Im Telemedizinzentrum am UKA wird der individuelle Patient digital erfasst, seine Informationen werden auf diese Weise für seine Behandler transparenter, die medizinische Kooperation innerhalb der Versorgungskette optimiert. Basis ist die sogenannte EFA, die elektronische Fallakte. In ihr speichern behandelnde Ärzte alle relevanten Daten wie Befunde, OP-Berichte, Röntgenbilder, komplexe Verlaufskurven und vieles mehr. Die EFA wiederum kann – eine entsprechende Berechtigung vorausgesetzt - an fast jedem beliebigen Ort weltweit gelesen werden. So lassen sich andere Krankenhäuser oder auch Reha-Einrichtungen relativ einfach und effizient einbinden. Mit wenigen Klicks können selbst weit voneinander entfernte Ärzte in Kontakt treten, über einen Patienten konferieren und gleichzeitig seine aktuelle Krankenakte einsehen.
Optimierte Kooperation: Mit einem Klick den Patienten im Blick
Prof. Pape möchte diese etablierte und gut funktionierende Technik nutzen, um gemeinsam mit Reha-Koooperationspartnern (Luisenhospital Aachen/Haus Cadenbach und die Reha-Klinik Schwertbad) Behandlung und Rehabilitation älterer Patienten deutlich zu optimieren. Es bietet die Möglichkeit des beiderseitigen Kontaktes ohne längere Reisewege.
Gleichzeitig kann schon im Krankenhaus der optimale Reha-Aufenthalt für den Patienten von Chirurg und Rehabilitationsmediziner gemeinsam geplant werden. Kommt es während der Reha-Aufenthaltes zu Komplikationen, ist der Arzt aus dem Krankenhaus schnell zur Hand: Im Zweifel ist die telemedizinische Konsultation per Videokonferenz und gemeinsamem Einblick in die Krankenakte nur ein paar Klicks mit der Computermaus entfernt, bei Bedarf kann der Arzt im Reha-Haus mit einem Videowagen den Patienten aufsuchen - der Arzt im Uniklinikum schaut ihm dann bei der Untersuchung des Patienten digital über die Schulter und kann dem Patienten sogar Fragen stellen. Auf diese Weise soll die Rehabilitationsbehandlung optimiert werden, um das Bedürfnis der Patientinnen und Patienten nach einer möglichst optimalen Wiederherstellung ihrer Mobilität besser erfüllen zu können. Die Lösung soll auch für andere Felder der medizinischen Anschlussheilbehandlung nutzbar sein, um eine weitere Verbreitung zu ermöglichen.