Ziel einer Mammografieuntersuchung ist es, Tumore der weiblichen Brust möglichst frühzeitig zu erkennen, damit man eine rechtzeitige Behandlung vornehmen kann. Dabei erwartet man von einem guten Mammografie-Verfahren einerseits, dass man damit möglichst alle Veränderungen erkennt und Tumorgewebe gut von anderen Gewebeveränderungen unterscheiden kann. Gleichzeitig sollte die Strahlendosis, die bei der Untersuchung verabreicht wird, möglichst gering ausfallen.
Test unter realitätsnahen Bedingungen
Ein Verfahren, das diese Vorteile mit sich bringen soll, haben Forscher des Paul Scherrer Instituts entwickelt. In Zusammenarbeit mit Ärzten des Kantonsspitals Baden haben sie jetzt damit erstmals Bilder von Gewebe erzeugen können, das aus Brustoperationen stammte, aber nicht konserviert war. Damit kam man der Situation einer tatsächlichen Untersuchung am Menschen sehr nahe. «Mit dem neuen Verfahren konnten wir zum Beispiel Narben von Tumorgewebe unterscheiden oder kleinste Krebsknötchen identifizieren, die mit den heutigen Untersuchungstechniken noch nicht erkannt werden» sagt Dr. Nik Hauser, Leiter des zertifizierten Brustzentrums am Kantonsspital Baden AG, der das Projekt von ärztlicher Seite her betreut. Zurzeit wird eine klinische Studie durchgeführt, die die Vorteile der neuen Methode an einer grösseren Patientenzahl nachweisen soll. Insbesondere sollen hier Ärzte, die nicht an der Entwicklung der Methode beteiligt waren, die Vorteile der neuen Bilder gegenüber herkömmlichen Röntgenbildern unabhängig beurteilen.
Methode aus dem Paul Scherrer Institut
Wie bei der gewöhnlichen Mammografie, wird die Brust auch bei dem neuen Verfahren mit Röntgenstrahlen durchleuchtet. Bei einer gewöhnlichen Röntgenaufnahme wird aber nur bestimmt, wie viel von der Röntgenstrahlung im Gewebe zurückgehalten wird, so dass ein Röntgenbild im Prinzip den Schatten des untersuchten Objekts zeigt. Auf dem Weg durch das Untersuchungsobjekt verändert sich das Röntgenlicht aber noch auf eine andere, subtile Weise: Licht ist physikalisch gesehen eine elektromagnetische Welle. Auf ihrem Weg durch die verschiedenen Gewebestrukturen ändert sich die Richtung der Welle geringfügig - ein Effekt den man ähnlich bei Wasserwellen beobachten kann, die im Hafen auf ein Pier treffen. «Seit Jahren entwickeln wir am Paul Scherrer Institut Methoden, um diese Veränderungen zu untersuchen und die darin enthaltene Information auszulesen. Damit schaffen wir die Grundlage für neue Untersuchungsverfahren für Medizin und Materialforschung», erklärt Marco Stampanoni, Professor am Institut für Biomedizinische Technik der Universität und ETH Zürich und Leiter der Arbeiten am PSI. Eine Besonderheit des verwendeten Phasenkontrastverfahrens sind drei sehr feine Gitter, die das Röntgenlicht passieren muss - eines vor dem Untersuchungsgegenstand und zwei dahinter. Hier wechselwirken die verschiedenen Teile der Lichtwellen so miteinander, dass die gewünschte Information zugänglich gemacht wird. Das Röntgenlicht wird von einer Röntgenröhre erzeugt, die den im klinischen Alltag zum Einsatz kommenden Röhren im Wesentlichen gleicht.
Nächstes Ziel: Prototyp für die Praxis
Langfristiges Ziel der Arbeiten ist die Entwicklung eines Geräts, das zur regelmässigen Routine-Brustuntersuchung in der klinischen Praxis zum Einsatz kommen kann und aussagekräftige Bilder des Brutgewebes liefert - und zwar zu Kosten, die deutlich niedriger sind als etwa im Fall von Computer- oder Kernspin-Tomografie-Aufnahmen. Als erfahrener Partner auf dem Gebiet der Gesundheitsversorgung, ist die Firma Philips dem Projekt beigetreten. «Das Potential der Methode definiert sich einerseits durch die Neuartigkeit der gemessenen Information als auch durch den Einsatz herkömmlicher in der Medizintechnik verbreiteter Technologien zur Erzeugung und Detektion von Röntgenstrahlung. Erklärtes Ziel ist es am Beispiel der Mammografie am Menschen den klinischen Nutzen eindeutig aufzuzeigen», erklärt Ewald Rössl, Projektleiter des entsprechenden Forschungsprojekts bei Philips.
Der Verwendung zugestimmt
Für die Studie wurde Gewebe von frischoperierten Personen verwendet. Die Betroffenen haben der Verwendung ihres Gewebes schriftlich zugestimmt. Die Studie wurde vom Institutional Review Board des Kantonsspitals gebilligt.
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1400 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 300 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.
Über das KSB
Das Kantonsspital Baden stellt die medizinische Grundversorgung für 150'000 EinwohnerInnen und die erweiterte und spezialisierte medizinische Versorgung für rund 300'000 EinwohnerInnen des Ostaargaus sicher. Im 2010 wurden 18'000 stationäre und über 65'000 ambulante PatientInnen behandelt. Mit 1750 Mitarbeitenden und 209 Auszubildenden erzielte das KSB einen Umsatz von CHF 269 Mio.