Vor Beginn einer Strahlenbehandlung nehmen die Ärzte zunächst ein Bild mit dem Computertomographen (CT) auf, das die Lage des Tumors und der umliegenden Organe zeigt. Auf Basis dieser Aufnahme wird dann ein detaillierter Bestrahlungsplan erstellt. Er legt die Anzahl der Sitzungen fest und gibt an, welche Regionen im Körper mit welcher Dosis bestrahlt werden müssen. Das Ziel ist, den Tumor vollständig zu zerstören und das umliegende gesunde Gewebe zu schonen.
Allerdings verändern sich in den Wochen der Therapiedauer die Bedingungen: Im Laufe der Zeit schrumpft der Tumor, oft variiert auch seine Form. Möglicherweise verliert der Patient an Gewicht, und er ist nicht immer in identischer Position auf der Bestrahlungsliege platziert. Das hat Konsequenzen für den Therapieverlauf: In vielen Fällen ist die ursprünglich geplante Verteilung der Röntgendosis nicht mehr optimal und muss neu angepasst werden.
Um zu gewährleisten, dass der Tumor auch bei späteren Sitzungen möglichst gut getroffen wird, machen die Ärzte CT-Kontrollaufnahmen. Damit lässt sich unter anderem prüfen, ob sich der Tumor verschoben hat, weil der Patient an Gewicht verlor. Infolgedessen könnten sensible Organe in den Fokus der Strahlung kommen und unabsichtlich geschädigt werden.
Um derartige Komplikationen zu verhindern, vergleichen die Ärzte das ursprüngliche CT-Bild mit den Kontrollaufnahmen. Ausgehend von diesem Abgleich passen sie dann die Bestrahlung an die neue Situation an. Allerdings ist diese Neuplanung eine aufwändige und zeitintensive Angelegenheit. Im Rahmen des SPARTA-Projekts hat Fraunhofer MEVIS mehrere Software-Werkzeuge entwickelt, die diese Prozedur beschleunigen und vereinfachen können. Um die Tools möglichst praxistauglich zu gestalten, haben die Experten eng mit Ärzten aus renommierten Universitätskliniken zusammengearbeitet.
Die Bildregistrierung: Die MEVIS-Forscher haben Algorithmen entwickelt, die verschiedene Aufnahmen eines Patienten automatisch zur Deckung bringt. Unter anderem korrigiert das Programm unterschiedliche Positionen auf der Bestrahlungsliege. Wenn nötig werden die Bilder so verformt und verschoben, dass die Strukturen deckungsgleich sind. Damit lässt sich einfacher beurteilen, wie sich ein Geschwür im Laufe der Therapie verändert. Gemeinsam mit der Uniklinik Dresden haben die MEVIS-Experten einen Algorithmus zur Bildregistrierung von Lungenaufnahmen weiterentwickelt und evaluiert. Er bildet die Lunge in verschiedenen Atemphasen exakt aufeinander ab.
Das Nachkonturieren: Um den Bestrahlungsplan zu erstellen, müssen die Mediziner auf einem CT-Bild die Organe und den Tumor möglichst präzise konturieren, d. h. ihre Umrisse aufzeichnen. Zwar schlägt der Rechner bereits heute vor, wie die Konturen aussehen sollten. Aber in der Praxis muss der Arzt sie abgleichen und korrigieren – ein zeitraubender Prozess. Um ihn zu beschleunigen, haben die MEVIS-Forscher ein Tool geschaffen, das die initial verfügbaren Konturen der ursprünglichen Planung mit Hilfe der Ergebnisse der Bildregistrierung auf die CT Aufnahme des aktuellen Zeitpunkts überträgt. Das Verfahren wird ergänzt durch effiziente Tools zur Nachbearbeitung dieser Konturen. So „schnappt“ mit Hilfe eines Snapping-Werkzeugs eine ungenaue Kontur rasch an die passende Stelle. In Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität in München wurde ein Konturübertragungs-Verfahren für Kopf-Hals-Daten getestet. Das Resultat: Die beteiligten Ärzte benötigten nur etwa halb so viel Zeit für die Nachbearbeitung.
Die Visualisierung: Welche Varianten eines Bestrahlungsplans sind günstig, welche nicht? Muss überhaupt neu geplant werden oder kann man es bei der ursprünglichen Planung belassen? Um die Mediziner bei der Beantwortung diese Fragen zu unterstützen, haben die Bremer Fachleute spezielle Werkzeuge für die Visualisierung entworfen. Sie können zum Beispiel die Unsicherheit zeigen, die sich im Laufe einer mehrwöchigen Therapie durch die Bewegungen des Patienten auf der Bestrahlungsliege ergeben. Dabei zeigt eine 3D-Darstellung eine Bilderreihe, und je stärker die Bewegungen während der Bestrahlung waren, umso unschärfer sind die Bilder gegenüber der Referenz dargestellt. Eine solche Information kann bei der Entscheidung helfen, ob die Bestrahlungsplanung neu angepasst werden muss oder nicht.
Diese und weitere Softwarebausteine haben die Forscher in einem Demonstrator zusammengefasst. Im Prinzip ließen sich einzelne Elemente relativ einfach in vorhandene Produkte von Medizingeräteherstellern integrieren. Fraunhofer MEVIS ist mit den Unternehmen bereits im Gespräch.
SPARTA steht für „Softwareplattform für die Adaptive Multimodale Radio- und Partikel-Therapie mit Autarker Erweiterbarkeit“. Das interdisziplinäre Verbundprojekt begann am 1. April 2013 und lief bis zum 31. März 2016. Das Konsortium umfasste zehn Partner, darunter Forschungsinstitute, Medizintechnik-Unternehmen und Universitätskliniken. SPARTA wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit einer Summe von knapp acht Millionen Euro gefördert. Weitere Informationen unter www.projekt-sparta.de.
Das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS
Eingebunden in ein weltweites Netzwerk aus klinischen und akademischen Partnern entwickelt Fraunhofer MEVIS praxistaugliche Softwaresysteme für die bildgestützte Früherkennung, Diagnose und Therapie. Im Mittelpunkt stehen Krebsleiden sowie Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, des Gehirns, der Brust, der Leber und der Lunge. Das Ziel ist, Krankheiten früher und sicherer zu erkennen, Behandlungen individuell auf den Patienten zuzuschneiden und Therapieerfolge messbar zu machen. Außerdem entwickelt das Institut im Auftrag von Industriepartnern Softwaresysteme, mit denen sich bildbasierte Studien zur Wirksamkeit von Medikamenten und Kontrastmitteln auswerten lassen. Um seine Ziele zu erreichen, arbeitet Fraunhofer MEVIS eng mit Medizintechnik- und Pharmaunternehmen zusammen und verfolgt dabei die gesamte Innovationskette von der angewandten Forschung bis hin zum zertifizierten Medizinprodukt. www.mevis.fraunhofer.de