Um der Funktion der verschiedenen Proteine auf die Schliche zu kommen, legen die Forscher zunächst Zellkulturen an. Dazu geben sie einige Zellen in eine Petrischale, füllen Nährmedium hinzu und untersuchen regelmäßig deren Wachstum. Haben sich geeignete Zellkolonien ausgebildet, setzt der Forscher diese mit einer Pipette in ein neues Gefäß, um sie weiter zu untersuchen. Bislang führen die Wissenschaftler diese Arbeiten überwiegend per Hand aus - eine zeitaufwändige Routinearbeit. Im Projekt "Autranomics" haben Forscher der Fraunhofer-Institute für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, für Physikalische Messtechnik IPM in Freiburg und für Angewandte Informationstechnik FIT in Sankt Augustin nun gemeinsam mit den Kollegen des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ein System aufgebaut, das die Zellen vollautomatisch kultiviert.
Das Gerät besteht aus verschiedenen Modulen: Eines davon ist ein Roboter, der die einzelnen Gefäße, Mikrotiterplatten genannt, mit den Zellkulturen von einer Station zur nächsten transportiert. "Ein Mikroskop nimmt die Zellen regelmäßig unter die Lupe, um ihr Wachstum zu beurteilen", erläutert Dr. Albrecht Brandenburg, Gruppenleiter am IPM, ein weiteres Modul. "Es überführt die Mikrotiterplatten auf den Mikroskoptisch, fokussiert, wechselt die Objektive und steuert die Lichtquellen an. Damit das Optik-Modul der hohen Luftfeuchtigkeit standhält, die die Zellen brauchen, ist das gesamte optische System für den Betrieb in dieser Umgebung ausgelegt. Die Ergebnisse der mikroskopischen Analyse fließen in die Systemsteuerung ein, das ist bislang einzigartig in der automatisierten Zellkultivierung."
Ein Beispiel dafür: Eine Software wertet die Mikroskopaufnahmen aus und überprüft, wie stark die Oberfläche des Gefäßes bereits mit Zellen bedeckt ist. Haben sich geeignete Zellkolonien gebildet, nimmt ein weiteres Modul, eine Hohlnadel, die Zellen in einem Bereich von 100 bis 200 Mikrometern auf und überführt sie in ein neues Gefäß. Die Software, die diese Mustererkennung vornimmt und damit die Zellen als solche erkennt, kann von den Anwendern des Systems trainiert werden: Bei neuen Zelltypen können sie Beispielareale für Vorder- und Hintergrund definieren. In den weiteren Arbeitsabläufen erkennt das System den jeweiligen Zelltyp dann automatisch.
Seit Kurzem steht das Gerät, das ein kleines Labor füllt, beim Max-Planck-Institut. Hier soll es den Forschern helfen, die Funktionen verschiedener Proteine zu entschlüsseln. Dazu bringen die Wissenschaftler den Abschnitt des menschlichen Genoms in die Zellen ein, der den Bauplan für die zu untersuchenden Proteine liefert. Der Ort in der Zelle, an dem die Proteine später zu finden sind, verrät einiges über die jeweilige Funktion der Proteine. Der Durchsatz, den das System schafft, ist enorm: Pro Monat züchtet es 500 Zellkulturen. Die Zellfabrik kann aber auch an andere Anwendungen angepasst werden: So hilft sie etwa dabei, die Wirksamkeit verschiedener Medikamente zu testen. Da das System modular aufgebaut ist, können Forscher in Industrie und Wissenschaft abhängig vom Bedarf auch nur einzelne Schritte automatisieren.